Der Tag, an dem die Welle kam
11. März 2011, 6 Uhr
Kamaishi: Der Himmel ist klar, aber die Temperaturen sind frostig, als sich Machiko Kikuchi, 49, bereit macht für den Tag. Sie führt im Ort mit 40 000 Einwohnern den Familienbetrieb „Kikutsuru Shoten“ mit zwei Läden. Im Angebot sind regionaler Fisch und Meeresfrüchte, Makrelenhecht etwa und Riesenblättertang. Am Hafen steht eine kleine Verarbeitungsfabrik. Um 7 Uhr fährt Kikuchi ihre Schwiegermutter zum einen der zwei Läden. Zurück daheim macht sie für sich, ihren Mann und den 18-jährigen Sohn Yukihiro Frühstück.
Tomioka: Zur gleichen Zeit beginnt auch Rumiko Kobayashi, 66, ihren Tag, eine ehemalige Lehrerin. Ihre Kinder sind alle aus dem Haus. Jetzt lebt sie allein mit ihrem Mann in Tomioka, einer 15 000-Seelen-Gemeinde. Zu den grössten Arbeitgebern zählen zwei Atomkraftwerke: Fukushima Daini – 5 Kilometer entfernt – und Fukushima Daiichi – etwas mehr als 10 Kilometer weg. Nach dem Frühstück fährt Kobayashi zum Einkaufen.
Tokio: Im Parlamentsgebäude macht sich Naoto Kan, 64, bereit für eine Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses des Oberhauses. Kan von der Demokratischen Partei Japans ist seit Juni 2010 Ministerpräsident. Früher war er Patentanwalt. Die Sitzung verläuft schwierig. Anders als im Unterhaus hat hier die Opposition die Mehrheit. Sie nimmt Kan wegen Parteispenden unter Beschuss.
Kurz vor 9 Uhr
Kamaishi: Kikuchi trifft in einer ihrer Filialen in einer Ladenpassage beim Bahnhof ein. Sie räumt auf, bedient Kunden, macht Abrechnungen. Mittags isst sie etwas im Laden.
12 Uhr
Tomioka: Kobayashi isst allein, ihr Mann hat einen Termin. Danach geht sie mit dem Spaten auf ihr kleines Feld hinter dem Haus, um es für die Aussaat umzugraben.
14 Uhr 46
130 Kilometer vor der Ostküste: In 24 Kilometer Tiefe schiebt sich die Pazifische Kontinentalplatte unter die Ochotsk-Platte. Das tut sie jedes Jahr um etwa 10 Zentimeter. Heute sind es 30 bis 50 Meter. Die Erschütterung löst einen Tsunami aus, der mit 800 Kilometer pro Stunde auf die Küste zurast.
Tokio: Der Kronleuchter im Sitzungssaal pendelt heftig. Naoto Kan umklammert die Armlehnen seines Sessels. „Hoffentlich fällt das Ding nicht herunter“, denkt er. Vor ihm kriechen Journalisten unter einen Tisch. In Tokio und in ganz Ost- und Nordjapan kommen Bahnen sofort zum Stillstand. Fahrstühle bleiben stecken, Wolkenkratzer schwanken.
Kamaishi: Kikuchis Handy piepst – Erdbebenwarnung! Gleichzeitig spürt sie heftige Erdstösse. Sie dauern nicht wie sonst wenige Sekunden, sondern vier, fünf Minuten.
Tomioka: Kobayashi wird schwindlig in ihrem Garten. Sie denkt zuerst, es sei der Blutdruck. Dann realisiert sie, dass die Erde bebt.
14 Uhr 49
Tokio: Sechs GPS-Bojen vor der Küste registrieren durch den plötzlichen Abfall des Meeresspiegels, dass das Seebeben einen Tsunami ausgelöst hat. Das Wetteramt ordnet dem Erdbeben zunächst die Stärke 7,9 zu und gibt eine Warnung vor einem „grossen Tsunami“ aus. Im Abstand von wenigen Minuten wird es sich korrigieren, zunächst auf 8,4, dann auf 8,8 und schliesslich auf 9,0 und einen Tsunami in der Höhe einer zweistelligen Meterzahl. Doch wegen der Stromausfälle erfahren das viele Menschen nicht mehr.
Kamaishi: Kikuchi rennt mit Angestellten nach draussen. Aus der Erde dringt ein tiefes Dröhnen. Dampf und Rauch erfüllen die Luft. Drinnen fällt der Strom aus, die Sprinkleranlage setzt alles unter Wasser.
14 Uhr 50
Tokio: Die Ausschusssitzung wird unterbrochen. Kan eilt zum Amtssitz des Ministerpräsidenten, wo im Untergeschoss ein Krisenzentrum eingerichtet ist.
Kurz vor 15 Uhr
Ostküste: In den vier Atomkraftwerken Onagawa, Fukushima Daiichi, Fukushima Daini und Tokaimura werden die Reaktoren notfallmässig abgeschaltet. Dieselgeneratoren springen an. Der Notstrom soll die Reaktoren kühlen, weil bei einem Störfall die kraftwerkseigene Stromversorgung unterbrochen wird.
Kamaishi: Kikuchi sorgt sich um ihren Sohn, ihr Haus steht nur 100 Meter vom Ufer entfernt. Sie steigt ins Auto. Unterwegs hört sie Feuerwehrsirenen. Im Radio warnt der Sprecher vor einem Drei-Meter-Tsunami. „Das ist heftig“, denkt sie. Da werde wohl der Fussboden überschwemmt. Als sie zu Hause ankommt, legt sie Sachen auf Schränke. „Ein Tsunami kommt, wir müssen weg!“, sagt sie zu ihrem Sohn. Doch Yukihiro will um 16 Uhr zur Führerscheinprüfung. „Was immer du Dann fährt sie zu ihrer Fabrik am Hafen, um das Tor zu verriegeln. Die Strasse ist abgesackt, die Fahrt holprig. Als sie das Auto wendet, blickt sie aufs Meer. Es sieht seltsam aus.
Tomioka: Kobayashi schaut nach einer 84-jährigen Nachbarin, die in einem alten Holzhaus lebt. Sie findet sie unter einem kräftigen Bergahorn. Ihr Sohn hatte sie instruiert, bei einem Beben sofort hinauszurennen.
15 Uhr 08
Ostküste: Der Tsunami bewegt sich nun noch mit 160 Kilometer pro Stunde. 22 Minuten nach dem Beben erreichen erste Wellen die Küste.
15 Uhr 14
Tokio: Das Kabinett richtet eine Zentrale zur Bekämpfung eines dringenden Notfalls ein. Kan hat den Vorsitz. Er befiehlt die Entsendung von 20 000 Armeeangehörigen.
Tomioka: Kobayashi versucht erfolglos, ihren Mann zu erreichen. Ans AKW in 10 Kilometer Entfernung denkt sie nicht. Viele Jahre zuvor waren einmal Leute des Stromanbieters Tokyo Electric Power vorbeigekommen. „Hier
ist es sicher“, hatten sie gesagt.,
15 Uhr 18
Kamaishi: Kikuchi fährt nochmals zu ihrem Sohn Yukihiro. Er besteht darauf, zu bleiben.
15 Uhr 21
Tokio: Japans Wetteramt ruft für ganz Japan eine Tsunami-Warnung aus.
Kamaishi: Von einer Anhöhe etwa 20 Meter über der Strasse bemerken Anwohner Kikuchi unten vor ihrem Haus. Sie schreien, als das Wasser über die Schutzmauer bricht und Häuser wegdrückt: „Weg da, fliehen Sie!“ Doch sie hört die Rufe nicht. Erst die Warnung eines Bekannten, der auf dem Velo vorbeirast, reisst sie aus ihren Gedanken. Kikuchi springt ins Auto. In dem Moment wird ihr Wagen vom Wasser mitgerissen.
Tomioka: Kobayashi wagt sich in ihr Haus, um für die Nachbarin ein Sitzkissen und eine Decke zu holen. Die Türen sind aus den Angeln gehoben, das Klavier ist verschoben, der Fernseher umgekippt, Gegenstände liegen am Boden. Strom und Wasser sind ausgefallen.
15 Uhr 22
Kamaishi: Kikuchis Auto kippt nach vorn. Sie öffnet das Seitenfenster, sofort strömt eiskaltes Wasser herein. Die Kühlerhaube senkt sich noch weiter nach unten. Das Heckfenster zerbricht. Sie schafft es, sich dort aus dem Auto zu zwängen. Hellblau wie in einem Pool kommt ihr das Meer unter Wasser vor. Sie will sich nach oben ziehen, findet aber nirgends Halt. „So ist es, wenn man ertrinkt“, denkt sie, dann zieht sie sich mit letzter Kraft auf ein grosses schwimmendes Trümmerstück.
Tomioka: Am AKW Fukushima Daini wird die erste Welle registriert. Sie schiebt Trümmer und Autos über die Mündung des Flusses Tomioka ins Landesinnere. In ihrem Haus gut zwei Kilometer von der Küste auf einer Anhöhe merkt Kobayashi nichts. Die Warnlautsprecher scheppern nur oder sind ausgefallen.
15 Uhr 27
Fukushima Daiichi: Die erste Welle trifft auf das AKW. Eine zweite folgt acht Minuten später. Die Wassermassen überwinden mehrere Schutzwälle von 10 bis 13 Metern und setzen die Notstromgeneratoren ausser Betrieb.
15 Uhr 45
Kamaishi: Kikuchi klettert durch ein kaputtes Fenster in ein Nachbarhaus und drückt die Tür zur Dachterrasse auf. Sekunden später steigt das Wasser bis unters Dach. Von weitem hört sie das Frachtschiff „Asia Symphony“ gegen Hindernisse donnern. Wo ihr Haus war, sieht sie nur noch Meer. Und ihr Sohn – tot? „Yuki“, ruft sie mit zitternder Stimme. Es ist sein Spitzname. „Yuki ist hier!“, schreit jemand von einer Anhöhe herab. Als sie ihn dort ausmachen kann, sinkt sie zu Boden. „Es war, als hätte ich Himmel und Hölle auf einmal gekostet „, wird sie später sagen. Ihr Sohn wird schildern, dass seltsame Geräusche ihn doch beunruhigt hätten. Er sei aufs Dach geflohen und habe sich dort am Geländer festgeklammert. Dann sei er fortgerissen worden. Als er wieder zu sich kam, fand er sich im Zwischenraum eines Daches wieder.
16 Uhr 15
Kamaishi: Es beginnt zu schneien. Kikuchi findet im Haus nur zwei trockene Handtücher, bald legt sie eine nasse Decke um sich – besser als nichts. Nachbeben erschüttern das Haus.
16 Uhr 36
Fukushima Daiichi: Die Kühlsysteme des AKW fallen aus.
16 Uhr 55
Tokio: Kan spricht in einer Medienkonferenz zur Nation: „Wir werden alles unternehmen, um die Schäden zu begrenzen“, sagt er. Die Atomanlagen seien zum Teil automatisch abgeschaltet worden, man habe keine Einflüsse
von radioaktivem Material festgestellt. Nach vier Minuten ist die Konferenz zu Ende.
Kamaishi: Es wird dunkel. Kikuchi kauert auf dem Treppenabsatz zum Dach. Plötzlich bemerkt sie, dass ihr Handy noch in ihrer Schürze steckt. Es funktioniert! Bis zum Morgen wird sie es immer wieder kurz einschalten und Fotos ihres Sohnes ansehen.
Tomioka: Kobayashi fährt in den südlichen Ortsteil, um nach ihrer Schwester zu sehen. Als sie wieder zu Hause ist, trifft ihr Mann ein.
19 Uhr 03
Tokio: Nach zweistündigen Beratungen erklärt Kan den Notstand in Fukushima Daiichi. Die Atomunfallzentrale wird eingerichtet.
21 Uhr
Fukushima Daiichi: Nach Stunden in Staus und auf kaputten Strassen erreicht das erste von mehreren Stromversorgungsfahrzeugen das AKW. Sie sollen die Reaktoren kühlen.
Tokio: In der Kommandozentrale in Kans Arbeitszimmer bricht Jubel aus. „Es war so, als wenn bei einem Fussballspiel bei der Weltmeisterschaft ein Tor gefallen wäre“, wird er später in seinem Buch schreiben. Doch die Freude schlägt bald in Ernüchterung um: Die Stecker und Kabel des Fahrzeugs passen nicht. Der Krisenstab entscheidet, wegen Verstrahlungsgefahr ein Gebiet von 3 Kilometern um das AKW zu evakuieren.
22 Uhr 44
Tokio: Die Atomaufsichtsbehörde prognostiziert, dass in sechs Minuten der Kern in Reaktor 2 freigelegt werde. Um 0 Uhr 50 soll es zur Kernschmelze kommen. Später wird ein Report feststellen, dass die Schmelze wohl schon um 20 Uhr eingesetzt hat.
12. März, 0 Uhr 15
Tokio: Kan telefoniert mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama, bevor er um 1 Uhr zur nächsten Beratung eilt. Man beschliesst, beim AKW kontrolliert Druck abzulassen, um eine Explosion zu verhindern.
In der Nacht
Kamaishi: Ständige Nachbeben, das Rumpeln der Schiffe und das Knirschen der Trümmer zehren an Kikuchis Nerven. Trotzdem findet sie etwas Schlaf. Noch immer schneit es. Im Licht ihres Handys entdeckt sie eine Reisstrohdecke und nutzt sie als Windschutz. Ihr einziger Gedanke: „Ich muss durchhalten, wenn ich morgen alle wiedersehen will.“
Tomioka: Kobayashi wagt sich nicht mehr ins Haus und sitzt bei Standheizung mit Decken in ihrem Auto. Erstaunt sieht sie viele Sternschnuppen über den Himmel ziehen.
Gegen 5 Uhr
Tokio: Kan erfährt, dass mit dem Druckablassen noch nicht begonnen wurde. Bestehe nicht die Gefahr, dass der Sicherheitsbehälter explodieren könnte, fragt er den Leiter der Nuklearen Sicherheitskommission. „Null ist die Wahrscheinlichkeit nicht“, antwortet er. Später wird Kan erfahren, dass das Ventil wegen des Stromausfalls per Hand geöffnet werden sollte. Doch die Strahlung ist zu hoch.
Kamaishi: Krähen und fahles Licht wecken Kikuchi. Das Wasser hat sich zurückgezogen. Vom Dach aus kann sie einen Teil ihres Hausrats und den eigenen Lastwagen erkennen.
6 Uhr 14
Tokio: Vom Dach des Amtssitzes hebt Kan in einem Militärhelikopter Richtung Fukushima ab. Der Leiter der Nuklearen Sicherheitskommission ist auch dabei. Er versichert, es gebe kein Risiko einer Explosion.
Tomioka: Kobayashi gelingt es endlich, die Botschaft aus den scheppernden Lautsprechern zu verstehen: „Bleiben Sie in Ihren Häusern. “ Sie hat keine Ahnung weshalb.
Gegen 7 Uhr
Kamaishi: Im goldenen Morgenlicht steht Kikuchi mit einer rosa Blumendecke auf dem Dach. Ein Beamter in dunkelblauer Uniform ruft ihr von der Anhöhe zu: „Das Wasser geht zurück, evakuieren Sie bitte auf höheres Gelände, solange Sie können.“
Tomioka: Kobayashi bricht zu Fuss auf, um im Versammlungsort ihres Viertels nachzusehen, ob dort jemand ist. Aber die Tür ist verschlossen.
7 Uhr 12
Fukushima Daiichi: Kan kommt beim AKW an. Er fühlt sich wie in einem Kampfgebiet oder in einem Feldlazarett: Überall sitzen Arbeiter am Boden, an die Wände der Gänge gelehnt, in Decken gehüllt oder mit nacktem Oberkörper ins Leere starrend. Der Werksleiter sagt, dass die Vorbereitung für die Druckentlastung noch vier Stunden daure. „Wir werden ein Suizidkommando zusammenstellen.“
7 Uhr 45
Kamaishi: Das Haus ist voller Treibgut, Kikuchi arbeitet sich über die Trümmer nach draussen.
Tomioka: Kobayashi und ihr Mann nehmen das Auto zur örtlichen Grundschule – in Japan häufig ein Infrastrukturknotenpunkt. Als sie die Tür zur Sporthalle öffnen, sehen sie die anderen Dorfbewohner. Jemand sagt, es komme bald ein Bus, der alle „auf Anweisung des Staates“ in die 25 Kilometer entfernte Ortschaft Kawauchi bringen werde. Den Grund dafür erfährt sie nicht.
Kurz nach 8 Uhr
Kamaishi: Kikuchi kommt am Rathaus an. Überlebende sitzen auf Stühlen und starren zu Boden. Beamte geben ihr trockene Kleidung. Strom und Wasser sind ausgefallen. Eine provisorische Toilette ist bald überlastet.
Tomioka: Der Bus kommt nicht. Kobayashi und ihr Mann steigen ins eigene Auto und reihen sich in die Kolonne ein. Unterwegs wundern sie sich über Männer in weissen Schutzanzügen und Masken an Strassensperren.
Gegen Mittag
Kamaishi: Kikuchi und andere Überlebende werden mit Bussen auf Schulen verteilt, wo die Wasserversorgung intakt ist.
Kawauchi: Sonst brauchen sie für die Strecke vierzig Minuten, dieses Mal sind die Kobayashis über vier Stunden unterwegs. In einer Turnhalle finden sie einen freien Platz.
14 Uhr 30
Fukushima Daiichi: Der Werksleiter meldet, dass es zum Druckabfall im Sicherheitsbehälter von Reaktor 1 gekommen sei. Die Krise scheint abgewendet.
15 Uhr 36
Fukushima Daiichi: Das Gebäude von Reaktor 1 explodiert. Eine TV-Station überträgt live.
Die Zeit danach
Fukushima: Am 14. und 15. März explodieren zwei weitere Reaktorgebäude. Am meisten radioaktive Strahlung bekommt eine Region nordwestlich des AKW ab.
Tokio: Kan bleibt noch bis am 2. September 2011 im Amt. Ein Jahr nach der Katastrophe schreibt er ein Buch über seine Erinnerungen an diese Zeit. Heute engagiert er sich mit dem früheren Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi für ein atomkraftfreies Japan.
Kamaishi: Die Kikuchis besuchen drei Tage nach der Katastrophe wieder ihr Viertel und die Fabrik im Hafen. Am 16. März gibt es wieder Strom. Drei Monate später erhalten sie den Zuschlag für ein altes Holzhaus – besser als einer der Wohncontainer, die manche Überlebende noch acht Jahre später bewohnen. Kikuchi hat einen Monat lang Albträume. Ihr erstes Geschäft eröffnet sie am 1. April wieder, ihr zweites folgt am 21. Juni.
Kawauchi: Kobayashi denkt die ersten Tage, dass sie bald wieder heimkehren wird. Doch am 16. März werden sie und ihr Mann in ein Messezentrum evakuiert. Dort warten Männer in weisser Schutzkleidung und mit Strahlenmessgeräten auf sie. 101 Tage bleiben sie dort, dann leben sie über vier Jahre in einem Wohncontainer. Es folgen knapp dreieinhalb Jahre in einer Übergangswohnung. Im Mai 2019 sind sie in ein neu gebautes Haus auf dem Grundstück ihres jüngsten Sohnes eingezogen. Ihr altes Haus in Tomioka lassen sie abreissen.
Die nationale Polizeibehörde meldet im Dezember 2020, dass durch die Katastrophe bisher 15 899 Menschen gestorben sind. 2527 werden noch vermisst.
Zahlen zum Tsunami
- 561 Quadratkilometer Fläche wurden am 11. März in Japan überschwemmt.
- 457 000 Wohnhäuser wurden damals vollständig oder zum Teil zerstört oder überschwemmt, ebenso 18 000 öffentliche Einrichtungen.
- 9 Atomreaktoren sind derzeit in Japan in Betrieb. Vor der Katastrophe waren es 54.
- 36 200 Personen können wegen der AKW-Havarie bis heute nicht in ihre Heimat zurück. Der Höchststand der Evakuierten betrug 165 000 Personen.
Quellen: Naoto Kan: „Als Premierminister während der Fukushima-Krise“, Iudicium-Verlag 2015; Tohoku University; Tokyo Electric Power; Iwate TV; NHK; National Police Agency; Japan Meteorological Agency; persönliche Gespräche mit Betroffenen.