日本在住ジャーナリスト、撮影コーディネーター、ドキュメンタリー映画監督
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"Ema"-Votiftafeln am Izumo Taisha-Schrein in Shimane. © Sonja Blaschke

Beten für den Traummann

In Japan blüht das Geschäft mit der Verzweiflung: Um einen Partner zu finden, fahren immer mehr Frauen viele Kilometer zu einem Liebesschrein im Süden des Landes – und zahlen viel Geld.

Zweimal verbeugen, viermal klatschen, Geld in den hölzernen Opferkasten werfen und dann beten. „So erhören einen die Götter und helfen, den richtigen Mann zu finden“, glaubt die 24-jährige Krankenschwester Manami Noguchi. Zusammen mit ihrer Kollegin Eri Koda hat sie sich in den Zug gesetzt und ist fünf Stunden zum Izumo-Taisha-Liebesschrein an die Westküste gereist – im Süden Japans. „Je genauer man sich seinen Wunschpartner vorstellt, desto höher sind die Chancen, dass man ihn findet“, sagt Manami. Wer noch ein bisschen mehr nachhelfen will als nur mit Stoßgebeten, kauft sich am Schrein einen Glücksbringer oder eine Holztafel mit einer Botschaft an die Götter.

Das Geschäft mit der Verzweiflung blüht in Japan. Um einen geeigneten Partner zu finden, nehmen die Frauen inzwischen einiges auf sich. Und dennoch: Die Zahl der Eheschließungen in dem Inselstaat sinkt kontinuierlich, auch Nachwuchs wird immer seltener. Bei 1,4 Kindern liegt die Geburtenrate inzwischen, eine der niedrigsten der Welt. Das 126-Millionen-Einwohner-Land schrumpft und überaltert in Rekordzeit, 2015 könnte das Jahr werden, in dem die Zahl der Neugeborenen erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg unter eine Million fällt. Demografen wie Politiker fürchten einen massiven Arbeitskräftemangel und den Kollaps der Sozialsysteme.

Vor allem durch Frauen floriert das Geschäft

Der öffentliche Druck auf junge Frauen, eine Familie zu gründen, steigt entsprechend. Weil Japan eine zutiefst konservative Gesellschaft ist, gelten dafür jedoch strenge Regeln. 98 Prozent aller Kinder werden hier in der Ehe geboren. Die Sehnsucht nach einem geeigneten Ehepartner ist groß. Die Holztafeln am Izumo-Taisha-Liebesschrein künden davon: „Bald ist mein 30. Geburtstag. Ich wünsche mir, dass mir mein Freund bis dahin einen Heiratsantrag macht“, schreibt eine junge Frau flehentlich. Fast 70 Prozent der Besucher seien Frauen auf Partnersuche, sagt einer der Priester in dem Küstenort. Vertreter der Stadt und einer Organisation lokaler Ladenbesitzer bestätigen das – und profitieren vom Geschäft mit den Frauen und der Torschlusspanik.

Dabei ist es gar nicht unbedingt so, dass sich die japanischen Männer verweigerten. Eine Ehe muss man sich hier auch schlicht leisten können. Viele junge Männer suchen seit der Wirtschaftskrise gut bezahlte, sichere Stellen – die es aber immer seltener gibt. Weil in Japan traditionell der Mann die Familie versorgt, warten sie nicht nur auf die gut bezahlten Jobs, sondern zögern auch mit Ehe und Familiengründung.

Die Regierung könnte mehr tun, um das zu ändern – so die Kritik vieler Experten. „Die Politik unterstützt weiter das Modell mit dem Mann als Haupternährer“, sagt die Japanologie-Professorin Annette Schad-Seifert. Es fehle an steuerlichen Anreizen, die Frauen zum Mitverdienen zu animieren. Für die 20-jährige Shoko Takeda etwa ist klar: „Der Bevölkerungsschwund liegt an den schlechten Arbeitsbedingungen für Frauen.“

Die gebürtige Tokioterin absolviert gerade ein Auslandssemester in New York. Sie ist Anfang Januar extra nach Japan gereist, um mit Gleichaltrigen, alle in farbenfrohen Kimonos und feinen Anzügen, ihre Volljährigkeit zu feiern. Es gebe in ihrer Heimat einfach nicht genügend passende Stellen für Frauen, bemängelt sie. Selbst mit einem Universitätsabschluss bekomme man häufig nur anspruchslose Bürojobs ohne Karriereaussichten und mit niedrigem Gehalt. „Es müsste Prämien für Kinder geben“, sagt ihre Freundin Eri Mitsuo.

Japans Premier Shinzo Abe will Frauen fördern

Zwar hatte Japans Premier Shinzo Abe unlängst die Frauenförderung zu seiner Mission erklärt. Aber bei der Mehrheit der Japanerinnen ist das noch nicht angekommen. Die Wartelisten für einen Kindergartenplatz sind lang, die Betreuung teuer.

Für Nachwuchs müssen die Japaner sich aber erst einmal finden und heiraten. Die Hürden dafür liegen hoch in einem Land, in dem Männer und Frauen sich in getrennten Sphären bewegen, Die Stadt Izumo, in der auch der bekannte Liebesschrein ist, hat auf dieser Not ihr Geschäftsmodell gegründet. Hiromi Koyama, die Leiterin der Abteilung „Enmusubi“ (Verbindung), organisiert regelmäßig Dating-Messen für die Masse. Sie lädt sogar die Eltern von Singles ein und bringt ihnen bei, wie man Ehen stiftet.

Bis vor wenigen Jahrzehnten war diese Aufgabe noch ein Ehrenamt auf dem Dorf. Die Vermittler arrangierten Treffen zwischen Kindern und Eltern, auf denen meist die Eltern über den Partner für den Nachwuchs entschieden. Auch Premier Abe hat so seine Frau kennengelernt. Seit immer mehr Japaner in die Städte ziehen, muss man für solche Vermittlungsdienste bezahlen.

Speeddating-Events liegen im Trend

Speeddating-Events namens Machikon haben im ganzen Land Konjunktur. In der Stadt Utsunomiya nördlich von Tokio hat sich ein Liebeszentrum entwickelt. 20.000 Japaner kommen das Jahr über hierher. Wer für ein Machikon anreist, wohnt in Hotels, geht zum Friseur, kleidet sich neu ein. 200 Millionen Yen (1,5 Millionen Euro) hat das in die Kassen der lokalen Wirtschaft gespült.

Wer beim Speeddating oder nach einem Stoßgebet am Schrein erfolgreich war, aber den falschen Mann kennenlernte, muss nicht verzagen. In Japan gibt es auch Enkiri-Schreine, vor denen man für die Auflösung einer Verbindung beten kann.

Die einen beten für den Traumpartner, die anderen für eine glückliche, lange Beziehung. © Sonja Blaschke
Die einen beten für den Traumpartner, die anderen für eine glückliche, lange Beziehung. © Sonja Blaschke