G-7 in Hiroshima:
Gipfel mit Überraschungsbesuch
Die Tatsache, dass Hiroshima als Gastgeberin für den G-7-Gipfel ausgewählt wurde, war kein Zufall. Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida stammt von dort, und die Symbolträchtigkeit der Stadt ist nicht zu unterschätzen. Umso mehr war im Vorfeld spekuliert worden, dass wohl das Thema der nuklearen Abrüstung eine zentrale Rolle spielen könnte. So hofften es nicht zuletzt die Verbände der Opfer der Atombombe und ihrer Hinterbliebenen.
Doch es kam anders. Schon am Donnerstagabend kursierten Gerüchte, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski womöglich nicht nur per Video-Schalte am Gipfel teilnehmen, sondern persönlich nach Japan reisen würde. Am Freitag wurden sie immer lauter. Schließlich war es soweit. Eine Wagenkolonne machte sich auf den Weg zum Gipfeltreffen, auf jedem Meter beobachtet von japanischen Fernsehkameras. Und schließlich sogar vor meinem Hotelfenster vorbei. Als Selenski am Abschlusstag auch noch eine Pressekonferenz gab, war die Atmosphäre im Raum wie vor dem Auftritt eines Rockstars – eine Halle voller Journalisten mit gezückten Kameras, die darauf warteten, dass er den Saal betrat. Doch erst einmal tauchten seine Security-Leute auf, in Kampfmontur.
Beeindruckend war, dass er spontan auf Fragen antwortete, ohne Skript. Das stand im krassen Gegensatz zur Pressekonferenz Kishidas kurz zuvor, die trotz brütender Hitze vor dem Zenotaph im Friedenspark stattfand, sicher der Bilder wegen. Wie in Japan typisch, las Kishida selbst die Antworten zu den Journalistenfragen nach seiner Rede ab, nachdem diese vorher mit ausgewählten Reportern vereinbart worden waren. Dort stahl einer der Reporter, der nicht zu den Auserwählten zählte, dem Politiker die Show. Als sich Kishida nach den abgesprochenen Fragen vom Podium abwandte und zur Limousine gehen wollte, bestand ein Journalist des Investigativ-Mediums „Ark Times“ darauf, eine spontane Frage zu stellen. „Hauen Sie ab, Herr Ministerpräsident?“, rief er Kishida im provokativen Tonfall nach. Und dieser kehrte tatsächlich zurück, um die Frage zu beantworten. Ein außergewöhnlicher Vorfall in Japan, erst recht auf einer so hochrangigen Veranstaltung.
Ich berichtete vom G-7-Gipfel für den englischen Dienst der Deutschen Welle vom Gipfel in Form von mehreren Live-Schalten, schrieb einen Bericht für die „NZZ am Sonntag“, dessen Thema im Verlauf des Gipfels wegen des Selenski-Besuchs mehrfach umgeworfen wurde, und verfasste einen Bericht für die „Tagesthema“-Seite der „Stuttgarter Zeitung“ über den Gipfel, in dem ich auch auf Bewegungen einging, die am Rande des Gipfels für ihre Themen Lobbyarbeit betrieben. Hier nachzulesen:
Stuttgarter Zeitung – Tagesthema G-7 (pdf)
NZZ am Sonntag – Selenski bekommt Kampfflugzeuge (pdf)