Journalistin, Aufnahmeleiterin & Filmemacherin in Japan
Ko-Kutaniyaki im Toguri Museum of Art. Foto: Sonja Blaschke
Entführte Töpfer aus Südkorea haben Japans Kunsthandwerk stark beeinflusst © Sonja Blaschke

Die Geschichte der entführten Töpfer

Eine gut gemachte Ausstellung und eine glänzende Führung voller überraschender Details haben mein Interesse an Keramik und ihrer Geschichte nachhaltig verändert.

Ausstellungen über Porzellan hatten mich zuvor nie sonderlich interessiert. Bis zu einer Führung durch das Toguri Museum of Art in Tokio am Freitag. Seither sehe ich Porzellan mit anderen Augen. Das ist Alice Gordenker, Journalistin und Übersetzerin, zu verdanken. Mit Fachkenntnis und Witz führte sie uns auf Englisch zu den wichtigsten Exponaten. So ein Museumsgenuss ist selten genug in Japan, wo häufig in Museen nur wenig auf Englisch angeschrieben steht, wenn es auch in den letzten Jahren ein wenig mehr geworden ist.

toguri-museum.or.jp/english

alicegordenker.wordpress.com

Alice erklärte uns unter anderem, dass Ko-Kutaniyaki-Porzellan, für das die Präfektur Ishikawa in Zentraljapan an der Japanischen See bekannt ist, höchstwahrscheinlich gar nicht von dort kommt! Ich war letztes Jahr bei einer Pressereise vor Ort und habe mir in der Region um die Stadt Kaga unter anderem einen der alten aufsteigenden Brennöfen angesehen, außerdem ein Museum über Ko-Kutaniyaki – mit damals eher mäßiger Begeisterung. Das mag an den Farben liegen, die mich in der Kombination nicht so ansprachen: Ko-Kutaniyaki zeichnen sich dadurch aus, dass sie weitgehend im Farbschema Grün – Aubergine – Gold bleiben. Außerdem waren die Erklärungen weniger anschaulich.

ishikawa-kaga-hakusan.jp

kutani-mus.jp/en

Kopiert von einer chinesischen Vorlage... Foto: Sonja Blaschke
Kopiert von einer chinesischen Vorlage… Foto: Sonja Blaschke

In dem Museum über Ko-Kutaniyaki erzählte man uns natürlich nicht, dass vermutet wird, dass Ko-Kutaniyaki wahrscheinlich im Tausend Kilometer entfernten Arita in Kyushu hergestellt wurden. Arita ist eigentlich für Imariyaki berühmt, die zu den berühmtesten Töpferwaren Japans zählen. Der Namensteil „Imari“ ist abgeleitet vom Hafen Imari, von dem die Waren verschifft wurden. Enge Verbindungen zwischen zwei Feudalgeschlechtern in Arita und Kaga (Ishikawa) könnten nach Ansicht einiger Experten dafür sprechen, dass Ko-Kutaniyaki in Arita geformt und gebrannt wurden, aber dann nach Kutani transportiert wurden, wo sie glasiert und verziert wurden. Debatten über diese und andere Theorien laufen. Deswegen sind jedoch manche Fachkundige dazu übergegangen, vom Ko-Kutaniyaki-Stil zu sprechen, wenn es um in Arita hergestellten Stücke geht, die wie Töpferwaren aus der Region Kaga in Ishikawa aussehen.

Kopiert von einer chinesischen Vorlage… Foto: Sonja Blaschke
Kopiert von einer chinesischen Vorlage… Foto: Sonja Blaschke
Kopiert von einer chinesischen Vorlage… © Sonja Blaschke
Kopiert von einer chinesischen Vorlage… © Sonja Blaschke

Aber auch in Arita konnte sich die Töpferkunst erst entwickeln dank Einflüssen von außen: in diesem Fall aus Korea, und nicht freiwillig. Um sich die Technik anzueignen, sollen einige Hundert koreanische Töpfer gezwungen worden sein, nach Japan zu übersiedeln, und dort ihre Fähigkeiten und Kenntnisse weiterzugeben. Die entführten Koreaner wiederum hatten ihre Technik vom Ursprungsland dieser Kunst – aus China (siehe erstes Bild oben). Wie groß der Einfluss aus China damals war, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass Porzellan auf Englisch noch heute „china“ heißt.

Das spürten auch die Japaner. Denn manchmal kamen europäische Händler zu ihnen und sagten: „Mach‘ uns sowas!“, während sie ihnen chinesisches Porzellan unter die Nase hielten. „Made in China“ hatte damals noch eine ganz andere Bedeutung … China, aber auch der europäische Geschmack auf der Käuferseite, diktierten die Muster, die Farben. Alice zeigte uns einige Stücke, die für den europäischen Markt bestimmt waren. Diese zeichnen sich durch relativ viel Weiß aus – was eine hochwertige Glasur sowie ein glatte Oberfläche verlangt – und viele Rottöne. „Das mochten die Europäer“, sagte Gordenker.

Faszinierende Keramikkunst © Sonja Blaschke
Faszinierende Keramikkunst © Sonja Blaschke

Bei manchen Stücken, wie dem dritten Bild in der Fotoreihe unten, konnten wir kaum glauben, dass sie wirklich aus dem 17. Jahrhundert stammten, wirkten sie doch recht modern. Manchmal wurde Porzellan, das als hochwertiger gilt als Keramik, weil es aus reinerem Material hergestellt wird, mit Absicht wie Keramik gestaltet. Der Hintergrund sei vermutlich, sagte Gordenker, dass man solche Stücke für die Teezeremonie verwenden wollte. Keramik würde eher deren Wesen entsprechen als die äußerst luxuriösen Porzellanwaren in Weiß, zumal diese ja häufig von China abgekupfert wurden.

Foto: Sonja Blaschke
Foto: Sonja Blaschke

Faszinierend war es auch, mehr über die Technik zu erfahren, etwa, dass Farben wie Rot und Schwarz leichter verblassen als zum Beispiel Grün. Deswegen wurden bei Bäumen häufig die Äste und die Struktur der Zweige zuerst gemalt, und danach quasi ein grüner Klecks Farbe darübergegeben, um das Schwarz zu fixieren. Wurden Gold und Silber aufgetragen, musste das Porzellan einen weiteren Brennvorgang durchlaufen.

Im Anschluss daran durften wir sogar wertvolles Porzellan aus dem 17. Jahrhundert anfassen – natürlich ganz ganz vorsichtig und nach vorheriger Anleitung.

Schlichte Formen in Blau und Weiß © Sonja Blaschke
Schlichte Formen in Blau und Weiß © Sonja Blaschke